Ausgeschnitten – Arbeiten von Alex Tennigkeit

Daniel Thalheim

Als vor einigen Jahren im Museum der bildenden Künste das Künstlerinnennetzwerk Leipzig-Berlin künstlerische Werke ausstellte, war auch Alex Tennigkeits künstlerische Position zu sehen. Mitte Juni 2021 stellt sie neue Werke in der Leipziger Galerie Potemka aus.

Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte fand schon im 16. Jahrhundert statt. In der Renaissance übten vor allem die Künstlerinnen und Künstler den perspektivischen Blick auf die Antike. Alex Tennigkeits Arbeiten blicken nicht so weit zurück, wenngleich ihre Beschäftigung mit zwei Gemälden von Lucas Cranach d.Ä. diesen historischen Bogen erlauben könnte.
Ihr Gemälde „Der Jungbrunnen“ hat das berühmte Vorbild des alten sächsischen Meisters vorm inneren Auge. Alex Tennigkeit erweitert das Sujet um die derzeit stattfindende Zeitgeist-Robotik, die KI-Technologie. Was vor zehn Jahren noch wie reine Utopie klang, ist heute Realität. Schon heute können sich Menschen E-Chips implantieren lassen. Wenn auch die Künstlerin ihr Bild als Allegorie auf eine noch einzusetzende Entwicklung sieht, die KI-Technologie wird bald Realität sein. Schwingt in ihrer Arbeit die Frage im Raum, wann und wie der Mensch von einer künstlichen Intelligenz ersetzt wird. Ihr Bild „Eva“ stehen auch mehrere Bildwerke Cranachs als Inspiration Pate. Eine weitere Inspirationsquelle findet die Künstlerin in den antik-ägyptischen Stand-Schreitfiguren. Der Eindruck der Vorwärtsbewegung entsteht durch den Umstand, dass beide Füße gleichzeitig auf dem Boden bleiben. Ikonographisch ist „Eva“ insofern aufgeladen, weil der zerfurchte Boden und das Feuer Hinweise auf die seit 200 Jahren eingesetzte Naturzerstörung geben, ein Vorgang, dessen Zenit noch nicht überschritten scheint. Während Eva als Allegorie für eine Flucht nach vorn, in eine ungewisse Zukunft, stehen könnte, wendet sich Adam ab und will zurück ins Paradies.
Handwerklich knüpft Alex Tennigkeit ebenfalls Fäden in die Vergangenheit. Ihre „Cut Outs“ sind Arbeiten auf und mit Holz und anderen Materialien. „Die Idee zum Mais-Girl geht auf meine Kindheit zurück“, sagt sie zu dieser künstlerischen Reihe, die sie 2019 begann, „in der ich fasziniert mit jungen Maiskolben gespielt habe, die so schöne „Haare“ haben. So wurde der Maiskolben zur Puppe.“ Das „Anorexia“ betitelte Bild zeigt so ein Mais-Mädchen; eine Chimäre aus Maiskolben und weiblichem Wesen. Was in diesem Zusammenhang als schöne Kindheitserinnerung mitschwingt, wird durch die dünnen Beine des Mädchenmaiskolben relativiert. Heute so brisante Themen wie Ernährung, Hunger und Magersucht kreist sie mit dieser Arbeit ein. Sie collagiert mit Leichtigkeit Stahl, Fotoausschnitte, Aluminium und PVC in ihren Cut Outs. In den meisten Arbeiten steht Holz im Mittelpunkt. Thematisch spannt sich das Feld von zeitgenössischer Wirtschafts- und Gesellschaftskritik bis hin zu Diskriminierung von afrikanischstämmigen Mädchen wie in den Arbeiten „No more a Blackamoor“ und „Nuba with It-Girl-Hair“. Sowohl in diesen Arbeiten als auch in Selbstporträts dringen kunsthistorische Vorbilder in ihre von Pop-Art, Surrealismus und Expressionismus geprägten Gemälde, Installationen und Collagen durch. Die gegenwärtige Bilderflut aus Internet und Fernsehen verschränkt sie mit bereits bekannten ikonographischen Markern aus der Kunstgeschichte. Auf diese Weise werden wir an unsere eigene beschränkte Existenz erinnert, wie vergänglich wir selbst eigentlich auf diesem Planet sind und wie stark unser Fußabdruck mittlerweile geworden ist, obwohl wir so wenig für die Natur und unsere Mitmenschen leisten. Lust am Pathos gehört für sie selbstverständlich dazu. Nur so können wir ihre Bilder allumfänglich und in aller Tiefe verstehen lernen.

Zur Galerie Potemka

Zu Alex Tennigkeit

Wieder heikler Fall von Begriffsverbrämung – Warum Kunstepochen reine Verschwörungstheorien sind

Daniel Thalheim

Kürzlich erschien ein Bändlein in einem Leipziger Verlag, der mit Stilbegriffen um sich wirft, die es nicht gibt. Restauratorin Constanze Arndt widmete sich Leipziger Treppenhäusern und will so auch gleichzeitig vier Kunstepochen ablesen. Das Ergebnis ist ein dickes Buch über kunsthandwerkliche Techniken, was an für sich über den herkömmlichen Standard hinaus geht. Doch inhaltlich können Fachleute ins Stocken geraten oder gar vom Stuhl fallen. Während in jedem anderen europäischen Land die kunstwissenschaftliche Forschung von der starren und willkürlichen Epochengliederung weg geht und sich den Werkstätten, Schulen und den für jede Zeit übliche Variationen des Stilbildes der römisch-griechischen Antike – was in sich schon nicht schlüssig ist, weil es DIE römisch-griechische Antike wegen ihrer regionalen und lokalen Ausprägungen so als Ganzes nicht gibt und nur ein Wunschdenken von Gelehrten in den abgeschiedenen Klöstern im Mittelalter ohne Leben entwickelt war und mit dem Fall von Byzanz in eine Renaissance der Antike mündete und von da an bis ins späte 19. Jahrhundert allenfalls mit modischen Abwandlungen und Verwerfungen lediglich zitiert wurde – zuwendet und so ein sensibleres Bild zeichnet, die Kunstgeschichte sich der geschichtswissenschaftlichen Bezeichnungen bzw. Abfolge Antike, Mittelalter, Frühmoderne und Moderne unterordnet, existiert in Leipzig immer noch eine Enklave, die versucht, Strömungen der Moderne voneinander abzugrenzen. So ist auch das Buch von Constanze Arndt über historische Ornamentschablonen zu lesen. So will die an der Hochschule für Grafik und Buchkunst ausgebildete Restauratorin in Hausaufgängen aufgrund der verwendeten Stilmitteln Dinge wie „Spätklassizismus, Jugendstil, Reformstil und Art Déco ablesen. Solche Begriffe sucht man in der zeitgenössischen Literatur vergebens. Sie wurden also im Nachhinein, v.a. im 20. Jahrhundert festgelegt. So legt sie fest, dass der sogen. Spätklassizismus von 1840 bis 1870 existierte, obwohl wir im deutschsprachigen Raum über Variationen des einflussreichen französischen Empire-Stils reden müssten, der eigentlich im Wohnungsbau in Grobem bis kurz vorm Ersten Weltkrieg anhielt. Um sich von dem damals allseits beherrschenden Repräsentationsstil des französischen König- und Kaisertums abzugrenzen – ja, Leipzigs Straßenzüge sind eigentlich französisch – entwickelten Architekten einen reformistischen Ansatz in der Gestaltung von Fassaden und des Interieurs. Dahingehend waren u.a. England und Schottland maßgeblich. In Europa entstanden in Folge der britischen Arts&Crafts-Bewegung unterschiedliche Ausprägungen. Die Wiener Werkstätte und der Deutsche Werkbund wären als zwei Bezeichnungen zu erwähnen, deren Künstler sich aber auch nicht dogmatisch an etwaige Vorbilder hielten, sondern eher daran interessiert waren, Design weiterzuentwickeln. Die Abwendung des antik beeinflussten Geräges im Design, Ornament und im Bauen selbst erfolgte schleichend. Immerhin waren damalige Künstler und Forscher auf die Zukunft fokussiert. Die klassische Malerei war im Abwind. Klassisches Bauen steckte irgendwann im Flaschenhals der „Wohnmaschine“ fest.

Noch schlimmer ist, was seit neulich in der Leipziger Internet Zeitung geschrieben steht. Man kann die Inhaltsübernahme aus dem Buch übersehen, wenn es heißt, Constanze Arndt habe in Leipzigs Bürgerhäusern sogar fünf verschiedene Kunstepochen nachgewiesen – vom Spätklassizismus (1840–1870) bis zum Art déco (etwa 1920 bis 1935). Noch schlimmer wird die Bemerkung mit folgendem Zitat: „Mit den Nationalsozialisten brach das ab. Was so ganz sanft den Gedanken weckt, dass diese uniformierten Kraftmeier auch Kunst und Kultur zutiefst verachteten. Stilvoll bauen konnten sie sowieso nicht.“

So ein Satz zeugt von Unkenntnis und Unvermögen, wirklich in die Tiefe zu recherchieren. Richtig ist, dass die Nazis im Wohnbau jene Reformarchitekten förderten bzw. bevorzugten, die nicht „so international“ bauten als wirklich gewollt. So entstand irgendwann ein genormter Einheitsbau mit Rückgriffen auf die „Epochengeschichte“. Die Entwicklung setzte allerdings bereits vor dem Ersten Weltkrieg mit den ungestümen Aufsätzen des nationalistischen Architekten Paul Schultze-Naumburg ein. Durch ihn wurde die überbordende Moderne gezügelt. Nicht nur in Mitteldeutschland war er erfolgreich. Dass den Nazis bspw. es schnurz war, dass u.a. die Leipziger Trauerfeierhalle von Wilhelm Haller eigentlich mit seiner Weihe 1927 als „deutsch“ bezeichnet wurde, greift den Aspekt von Reformarchitekten auf, sich in Reduktion und Expression neu zu erfinden. Die ehemalige Messehalle auf dem Alten Messegelände und Hort des riesigen Porta-Zentrums wurde als „nationalsozialistisch“ bezeichnet ohne auf die Hintergründe dieses Bauens zu blicken; der klobige Kubaturstil ähnelt so ziemlich allem was wir aus England aus der Zwischenkriegszeit kennen und bis in die Fünfzigerjahre verbaut wurde. Das gleiche gilt für den weitestgehend abgerissenen Stuttgarter Bahnhof. Wer aber ständig die nahezu nie verwirklichten Propagandabauwerke von Albert Speer vor Augen hat, dem wird der Blick verstellt, dass unter den Nazis mindestens genauso modern gebaut wurde wie in den Zwanzigerjahren. Dieser argumentative Einwand soll nicht dazu dienen, das Gewaltregime der Nazis zu rechtfertigen, sondern verdeutlicht dass die Nazis auch keine besseren Rezepte für billiges Bauen hatten als anderswo in Europa. „Nur keine Flachdächer“, hieß es damals. Mit diesem Diktat hatte man die „Moderne“ ausgetrickst. Dieses Prinzip wurde in der DDR umgekehrt. So etwas wie Heimat- und Denkmalpflege war nahezu nicht existent, vielmehr ins Abseits auf ein Abstellgleis gestellt.

Organisches Bauen ist so ein Stichwort der Zwanziger- und Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, das in den Quellen auftaucht. Expressionistisches Rokoko beschreibt ziemlich genau den durcheineinandergewürfelten Stilmix, den wir v.a. in Leipzig finden. Begriffe waren im Handwerk jedoch nicht wichtig, dienten die Ornamente und Designs eher als Vorlagen für den eigenen schöpferischen Willen. Wo wir schon beim Bauen in der damaligen Zeit sind; Normbauen wurde zwar nicht ad acta gelegt, aber neu definiert. Doch die Individualisierung des Bauens nahm eigene Formen und Tendenzen an, wo die Sprache aus Europa und den USA – Bauhaus, De Stjil, Organisches Bauen – auch in Tel Aviv umgesetzt wurden. Die White City ist keine Bauhausstadt nach Reißbrett, sondern eine individuell gestaltete Stadt im Sinne des Organischen Bauens.

Bei den Nazis empfand man die Moderne, wie sie v.a. zwischen den Kriegen entwickelt wurde, als hässlich und verstand das Bauen zwischen 1933 und 1939 als Rückkehr zum eigentlichen Handwerk und ihrem Erhalt. Damals manifestierte sich auch die Denkmalschutz im übrigen. Ihr wohnt immer noch ein deutschtümelnder Heimatschutz inne, die deutsche Identität im klassischen Verständnis von Bauen zu erhalten. Natürlich unter Erweiterung auf die Wohnbauten der DDR. Und keiner kann sich erinnern, dass ein selbsternannter Architekturexperte in Leipzig als Denkmalschützer sich je für die alten bürgerlichen Boulevardbauwerke und Armenviertel in der Messestadt eingesetzt hätte, auch nach 1990 nicht. Was an Handwerk verloren ging; Parkett, Dielungen, handgekachelten und emailierten Öfen, Fenster und Türen, Türgriffe, darüber können ebenfalls Bände geschrieben werden. Mit diesem Verlust gingen auch auch andere Vorteile verloren; wie man richtig Räume beheizt, wie man mit Wasser umgeht, wie man ohne Gas- und E-Herd richtig kocht. Die Selbstbestimmtheit des Wohnens ging ebenfalls verloren, die jährlichen Abrechnungen von Strom, Gas und Warmwasser verdeutlichen das genau.

Wenn in der Leipziger Internet Zeitung geschrieben steht, dass einem in Leipziger Treppenhäusern das kulturvolle Selbstverständnis eines Bürgertums, das quasi mit Goethe, Schinkel und Winckelmann eine eigene Kultur entwickelt haben will, und noch in der Antike seine Vorbilder sah (Klassizismus) und sich mit der scheinbar so eklektizistischen Gründerzeit auch zunehmend emanzipierte und am Ende tatsächlich eigene Kunststile hervorbrachte, liegt der Schreiber halbfalsch. Gerade die sogenannten eigenen Kunststile sind in den Handwerksmeistern und in ihren Betrieben zu suchen. Man hat Design und Ornamentik wild interpretiert und so einen Eklektizismus hervorgebracht, den sogar Sachsens erster Denkmalpfleger Cornelius Gurlitt sen. schon 1894 in einer von ihm selbst dokumentierten und veröffentlichten Fahrt zu Max Klinger als abscheulich empfand, um nicht zu sagen: stillos und abrisswürdig. Wir sehen das heute freilich anders. Gerade vorm Hintergrund des Verlusts an Handwerk und ihrer kreativen Kraft in der heutigen Zeit, scheinen die Menschen damals wirklich was beherrscht zu haben. Dass Handwerksmeister bis ca. 1990 auch an Kunsthochschulen geschult wurden fällt unterm Tisch.

Der größte Fauxpas gelingt der Leipziger Zeitung, den Jugendstil zwischen 1895 und 1910 einzuordnen. Für Deutschland mag die Zuordnung stimmen. Ihn als Teil der Sezessionsbewegungen zu sehen, die unter dem englischen Einfluss erst entstand, wäre der denkerische Glücksgriff gewesen. Ein weiterer wäre, diesen Stil in einen internationalen Maßstab zu stellen. Eine Abfolge wie Jugendstil, Reformstil und Art Déco gibt es ebensowenig wie die Behauptung, dass Kunst vorm frühen 20. Jahrhundert fast ausschließlich zwischen Kunstkritikern und Künstlern stattfand. Der Repräsentationsanspruch hatte sich seit der Französischen Revolution auch in Deutschland ins Bürgerliche verlagert. Man versuchte als Kaufmann und Immobilienhai genauso so zu prunken und zu protzen wie die Adeligen in den vorigen Jahrhunderten auch. Außerdem wird vergessen, dass Handwerker den Pomp und Prunk für die Herrschenden schufen, die Designer eigens zur Zurschaustellung weltlicher und geistlicher Macht entwarfen.

So gesehen ist es ein müßiges Spiel, gerade die Klassische Moderne mit verschlafenen und verträumten Begriffen zu ersäufen. Wissenschaftlich ist es nicht, und auch nicht redlich. Begriffe wie „Art Déco“ verbrämen im Prinzip die Geistes- und Handwerksleistungen dieser Zeit. Wir können von der Moderne vielmehr behaupten, dass die Abkehr vom klassischen Gestaltungsbild auch eine Abkehr der kunsthandwerklich gestalterischen Kraft einzelner Handwerkstätten zugunsten einer genormten und industriell vorgegebenen Gestaltung einsetzte, und auch ein Vergessen. Vor diesem Hintergrund hätte ein Treppenhausbuch wirklich Sinn gemacht. Man hätte für das Handwerk und das Interieurdesign entscheidende Impulse wider die sich selbst perpetuierende Moderne setzen können, aber so… so bleibt nur ein Blick in die Lupe einer zerfallenen Zeit. Stilbegriffe helfen uns nicht weiter, gerade zu den Entwicklungen im gestalterisch arbeitenden Handwerk und ihre Reibung mit der Industrialisierung weiter zu forschen. Sie kloppen nur unzähligen Lesern Stoff in die Köpfe, der altklug und besserwisserisch irgendwo wieder unter Zitierung solcher Bücher wie „Historische Ornamentschablonen aus Leipziger Wohngebäuden“ ausposaunt wird. Schade.

MdbK bekommt neuen Direktor – Stefan Weppelmann soll das Leipziger Kunstmuseum ab 2021 leiten

Daniel Thalheim

Die Kunde über die Neubesetzung des Direktorenpostens des Museums der bildenden Künste Leipzig erfolgte schon am 17. Juli. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung schlägt dem Rat der Stadt Leipzig Dr. Stefan Weppelmann als neuen Leiter des Museums der bildenden Künste (MdbK) vor. Nach einem langen Auswahlverfahren erteilte eine Auswahlkommission die entsprechende Empfehlung. Die Ratsversammlung wird in ihrer Septembersitzung 2020 über den Vorschlag entscheiden. Zum 1. Januar 2021 soll die Stelle neu besetzt werden.

Noch leitet Jeannette Stoschek übergangsweise das MdbK. Der 1970 im nordrhein-westfälischen Dülmen geborene Kunsthistoriker Stefan Weppelmann ist als Forscher der Frührenaissance bekannt und publizierte Bücher u.a. das Wirken des Malers Sandro Botticelli. Zurzeit leitet er die Gemäldesammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien. Für den dortigen Museumsverband übernimmt er auch übergreifende Aufgaben im wissenschaftlichen Bereich. Vor seiner Tätigkeit in Wien wirkte Weppelmann fast zwölf Jahre als Kustos an der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin. Der an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster promovierte Kunstwissenschaftler war darüber hinaus unter anderem am LWL-Museum für Kunst- und Kultur in Münster, einer Einrichtung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, sowie an einer gemeinsamen Forschungsstelle der Universität Florenz und des Kunsthistorischen Instituts (Max-Planck-Institut) in Florenz beschäftigt.

Wenn die Leipziger Stadtratsabgeordneten im September Stefan Weppelmann zum neuen Direktor des Leipziger Kunstmuseums, das mit seiner Historie sammlungs- und stiftungsbezogen in die Mitte der 1840er Jahre zurückgeht, könnte er Alfred Weidinger folgen. Er verließ das MdbK Ende März 2020, weil er die Stadt um eine frühzeitige Auflösung seines Vertrags als Direktor des Museums der bildenden Künste gebeten hatte. Er übernimmt in gleicher Funktion das Oberösterreichische Landesmuseum.

Die Auswahlkommission im Bewerbungsverfahren bestand aus Vertreterinnen und Vertretern des Stadtrates sowie der Verwaltung. Sie wurde von renommierten Experten flankiert. Dies waren Dr. phil. h. c. Ingrid Mössinger (Generaldirektorin der Kunstsammlungen Chemnitz a. D.), Silke Wagler (Leiterin Kunstfonds, Staatliche Kunstsammlungen Dresden), Prof. Dr. Bernhard Maaz (Generaldirektor Bayerische Staatsgemäldesammlungen), Florian Ebner (Leiter der Fotografie-Abteilung, Centre Pompidou Paris), Wolf-Dietrich Freiherr Speck von Sternburg (Präsident und Vorsitzender, Maximilian Speck von Sternburg Stiftung) und Dr. Doris Apell-Kölmel (Vorsitzende, Förderer des Museums der bildenden Künste Leipzig e. V.). 

Kurz vor Bekanntgabe des aussichtsreichen Kandidaten für die Führung des Leipziger Kunstmuseums entbrannte zunächst in der Leipziger Volkszeitung, dann in anderen Leipziger Online-Medien eine Debatte um den unprofessionell verbalen Nachtritt Prof. Frank Zöllners gegenüber die Konzeption und Neuausrichtung des MdbK unter Alfred Weidinger.

Leipziger Industriekultur – Aller Anfang ist das Bier

Von Daniel Thalheim

Die Leipziger Industrialisierung ist eng mit dem Bier verbunden. Besser gesagt, mit der Industrialisierung seines Produktionsvorgangs. 1887 war die Brauerei C. W. Naumann mit einer Jahresproduktion von 38.000 Hektoliter nach der Riebeckbrauerei in der Leipziger Mühlstraße und der Leipziger Vereinsbrauerei in der Braustraße die drittgrößte der Messestadt. Warum aber Brauen mit Bauen zu tun hat, erklärt ein Blick in die Baugeschichte von Plagwitz.

Brauhäuser sind Industriedenkmäler. Die einzigen, noch vollständig erhaltenen Brauhäuser von Leipzig sind der Riebeck-Brauerei-Komplex in der Mühlstraße, wo heute die Sternburg-Brauerei untergebracht ist, das stillgelegte Brauhaus von „Bauer“-Bier im Täubchenweg sowie die große Brauerei-Anlage von Sternburg-Bier in Lützschena-Stahmeln. Die Brauhäuser der Ulrich-Bierbrauerei in der Nähe des Bayrischen Bahnhofs und die Ermisch-Kronen-Brauerei in der Biedermannstraße wurden Anfang der Neunziger Jahre abgerissen. Die Naumannsche Brauerei in Plagwitz soll nun samt Sudhaus, Eiskeller und Villa zur Wohnanlage umgebaut werden. Diese Brauerei war die erste Industriebierbrauerei Leipzigs.
Als Carl Wilhelm Naumann (1792-1876) 1842 das Böhmesche Gut in Plagwitz kaufte, war er schon seit 1828 in Leipzig als Bierbrauer bekannt. Damals musste man noch den Mälzer-Eid vor dem Rat der Stadt Leipzig ablegen, um die Erlaubnis zum Herstellen der Hopfenkaltschale zu bekommen. Naumann hatte, bevor er sich in Plagwitz niederließ, verschiedene Grundstücke besessen. 1832 war die „Kleine Funkenburg“ im Ranstädter Steinweg Ort des Bieres. Das unter lautstarken Protesten 2005 auf Veranalssung des damaligen Baudezernenten Lüdke-Daldrup abgerissene Haus hatte nichts mit der Naumannschen Brauerei im weitesten Sinne mehr zu tun. Dennoch war der ehemalige Bierkeller ein Denkmal.
Noch heute erhalten ist der Felsenkeller an der Kreuzung Karl-Heine- und Zschochersche Straße. Das 1890 von den Architekten August Hermann Schmidt (1858–1942) und Arthur Johlige (1857–1937) anstelle des 1844 gebauten alten Felsenkellers geplante und errichtete neobarocke Haus geht ebenfalls auf die Brauerei Carl Wilhelm Naumann zurück. Der ehemalige Konzert- und Ballsaal ist somit ein Stück Architekturgeschichte, die Kultur mit Industrie verknüpft.

1871 als Kronen Brauerei von Gustav Männel in der Biedermannstraße 40 gegründet, hieß sie von 1910 bis 1979 Kronen Brauerei Bruno Ermisch. Ab 1979 war sie dann die VEB Kronen Brauerei Leipzig, als Betriebsteil des Getränkekombinats Leipzig.
1990 stillgelegt, wurde das Gelände von der Treuhand verkauft und 1992 komplett abgerissen. Heute ist an dieser Stelle ein Wohngebiet.

Leipzig um 1900 – Warum das Schiller-Denkmal zu neuem Leben erweckt wird

Derzeit wird in Leipzig ein Denkmal restauriert, das womöglich zur späten Blüte des Leipziger Sezessionsstils gehört. Was es dabei auf sich hat, wer der Bildhauer Johannes Hartmann war und wie das Schiller-Denkmal einzuordnen ist, versucht folgender Beitrag ein wenig zu beleuchten.

Von Daniel Thalheim

Die Stadtverwaltung von Leipzig weiß, was dem Schiller-Denkmal im vergangenen Jahr angetan wurde. Die 1914 von August Schmiemann nach Entwürfen von Johannes Hartmann geschaffene Skulptur aus Laaser Marmor wurde Opfer von Vandalismus. Schiller stand nun da, verschmiert und ohne Nase. Dank der Bereitstellung von Fördermitteln der Landesdirektion Sachsen, eingegangener Spenden und Mitteln der Stadt Leipzig kann das Jugendstil-Meisterwerk seit Anfang Juli 2018 restauriert werden. Die Gesamtkosten der Maßnahme betragen nach Auskunft des Leipziger Kulturamts rund 12.000 Euro. Die Maßnahme soll schon im Oktober desselben Jahres beendet sein.

Ergebnis einer bürgerlichen Stiftung – Das Schiller-Denkmal in Leipzig

1905 war das 100. Todesjahr des zweiten großen Dichterfürsten neben Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). Friedrich Schiller (1759-1805) gilt als der zweite Hauptvertreter der Literatur des Sturm und Drang und der Weimarer Klassik. Anlässlich dieses Ereignisses wurden auch in Dresden und Leipzig Schiller-Denkmäler in Auftrag gegeben und errichtet. Zwar wurden bereits vor dem Ereignisjahr schon Schiller-Denkmäler, mal Solo und mal mit Goethe, auf den Sockel gehoben. Zum Einhundertsten scheint so eine skulpturale Huldigung doch schon etwas besonderes zu sein.

Das Schillerdenkmal in Leipzig, historische Postkartenaufnahme (Copyright frei)
Das Schillerdenkmal in Leipzig, historische Postkartenaufnahme (Copyright frei)

In Dresden befand sich schon zu diesem Zeitpunkt ein Denkmal aus zwei sitzenden Figuren von Ernst Friedrich August Rietschel (1804-1861). Doch der Wunsch, in Dresden-Neustadt ein Solo-Denkmal für Schiller zu errichten, war 1905 groß. Hat der Dichter aufgrund des Mäzenats des Schriftstellers und Herausgebers Christian Gottfried Körner (1756-1831) eine sorglose und glückliche Zeit in direkter Nachbarschaft, in Dresden-Loschwitz, verlebt. Ein Schillerhäuschen zeugt noch von seinem Aufenthalt von 1785 bis 1787.
Auch in Leipzig hielt Friedrich Schiller sich 1785 auf. Im Vorort und heutigen Stadtteil Gohlis schrieb er das Gedicht „An die Freude“, das der Komponist Ludwig van Beethoven (1770-1827) für seine 9. Sinfonie verwendete und so zur weltweiten Berühmtheit wurde. Der klassizistische Bildhauer Johann Friedrich Dannecker (1758-1841) schuf zwischen 1793 und 1805 mehrere Schiller-Büsten. Seine Arbeiten und die Totenmaske des Dichters dürften die Hauptquellen für die Skulpteure der Jahrhundertwendezeit gewesen sein, auch für die in Leipzig. In Jena steht eine Bronzekopie von einer seiner Arbeiten.
Nach der Ausschreibung des Denkmals 1905 gründete der Leipziger Germanist und Literaturforscher sowie Vorsitzender des Leipziger Schillervereins Georg Witkowski (1863-1939) 1906 einen Denkmalsausschuss. Für das Leipziger Denkmal stand ein Stiftungsgeld von 20.000 RMk (heute rd. 271.000 EUR) bereit. Ein, mit einer Ausstellung begleiteter, Wettbewerb, dem der Leipziger Sezessionskünstler Max Klinger vorstand, wurde 1912 durchgeführt. 33 Einreichungen gelangten in die Hände der Jury. Das Modell des Leipziger Bildhauers Johannes Hartmann (1869-1952) wurde aus den anderen Entwürfen prämiert. Ausgeführt wurde die Skulptur allerdings vom in Leipzig lebenden Münsteraner Bildhauer August Schmiemann jnr. (vermutl. 1846-1927). Bis zum 9. Mai 1914 konnte das Denkmal fertiggestellt und im Leipziger Lenné-Park aufgestellt werden. Georg Witkowski hielt die Weihe-Rede. Das Denkmal selbst sorgte aber wegen der nackten allegorischen Figuren für eine Kontroverse, die jedoch im Ersten Weltkrieg unterging. Die Skulptur wurde, wie das zeitgleich in Dresden entstandene Werk, aus Laaser Marmor geschaffen. Die Konkurrenz zu Johannes Hartmann bildete das Who-Is-Who der Leipziger Bildhauer.

Von der Idee des Schillerhains im Lenné-Park und warum Leipzig vor hundert Jahren am Puls der Kunst war

Unter den 33 Einreichungen befanden sich viele Ideen, die scheinbar den Gedanken eines Andachthains für den Dichterfürsten aufgegriffen hatten. Wir wissen, dass neben dem prämierten Entwurf noch vier zweite Preise verteilt wurden. Programmvorschriften und Ideenkonkurrenz soll es nicht gegeben haben. So erblickten die Leipziger während der Wettbewerbsausstellung 1912 auf eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie der Abschnitt, wo das heutige Schiller-Denkmal steht, zu gestalten sei. Der konventionelle Typus des Schillerstandbilds auf einem Sockel als Ganzfigur trat dabei zurück.
Stattdessen blickten die Leipziger auf entworfene Schiller-Anlagen aus Brunnen, Tempeln und Säulen. Offenbar versuchten die untereinander konkurrierenden Künstler eine Art Gedenkstätte zu schaffen, wo der Betrachter gern verweilen will. Dass dies wohl dem späteren Klinger-Nachlassverwalter Johannes Hartmann gelungen ist, scheint auch an seinen Fürsprecher Max Klinger gelegen haben. Hartmann entwickelte ebenfalls das von Max Klinger entworfene und anfangs geschaffene Postament des Richard-Wagner-Denkmals weiter, das der 2013 verwirklichten Skulptur von Stephan Balkenhol als Basis dient. Schon damals war das Wagner-Denkmal als Kolossalskulptur in den Parkanlagen zwischen dem Neubau des „Alten Theaters“ und der Matthäi-Kirche auf einem Stufenaufbau geplant – so ist es auch heute. Auch dass das Leipziger Kulturamt für die Restaurierung des Schiller-Denkmals für private Gelder wirbt, zeugt noch vom Geist der bürgerlichen Idee, die Messestadt aktiv zu gestalten.
Dass das seit über 100 Jahren bestehende Schiller-Denkmal im Lenné-Park die Umgebungsnatur der Parkanlage für einen Schillerhain geschaffen hat dürfte das Ansinnen von Max Klinger und Johannes Hartmann gewesen sein. Nicht nur damals war der Ort ein Magnet für Leipziger und auch für Touristen. Heute gilt die Arbeit von Johannes Hartmann und August Schmiemann als wichtiges Werk der Leipziger Sezession, die in Bezug auf Innenraumgestaltungen und Bauplastiken noch starke Bezüge zum französischen Art Nouveau aufweist, aber auch – wenn es um das von Johannes Hartmann entworfene Möbeldesign dieser Zeit geht – Entwicklungen der englisch-schottischen Arts & Crafts-Bewegung im Sinne der Werkbundbewegung aufgreift und eine für Leipzig typische Ausprägung in die Moderne weiterführt. Leipzigs Künstler legten ihre Finger an den Puls der damaligen Zeit. Internationale Kunst der Klassischen Moderne war bei den Leipziger Jahresausstellungen vertreten. An der damaligen Kunstakademie kursierten japanische Farbholzschnitte und dürften so auch grafisch und malerisch einen großen Eindruck hinterlassen haben. Die Medailleurs- und Skulpteurskunst stand hoch im Kurs, die grafischen Disziplinen und die ex-libris-Kunst erlebten ihre Blüte. Doch seltsamerweise scheint die Kunst bis auf wenige Ausnahmen dieser Zeit aber auch bis 1945 in einer konservativen Starre verharrt gewesen zu sein.

Leuschnerplatzbebauung in Leipzig – Warum eine Markthalle nicht gebraucht wird

Am 23. August 2017 wurde von der Leipziger Ratsversammlung der Masterplan des Wilhelm-Leuschner-Platzes beschlossen. Dieser Plan soll künftig als Grundlage für die Erarbeitung des Bebauungsplans dienen. In dieser Planung ist auch der Bau einer Markthalle vorgesehen. Dieser Markthallenbau soll wieder städtebaulich an die alte Markthalle erinnern. Doch ist ein solches Bauwerk überhaupt notwendig?

Von Daniel Thalheim

Am 23. August 2017 wurde von der Leipziger Ratsversammlung der Masterplan des Wilhelm-Leuschner-Platzes beschlossen. Dieser Plan soll künftig als Grundlage für die Erarbeitung des Bebauungsplans dienen. In dieser Planung ist auch der Bau einer Markthalle vorgesehen. Dieser Markthallenbau soll wieder städtebaulich an die alte Markthalle erinnern. Doch ist ein solches Bauwerk überhaupt notwendig?

Warum wurde eine Markthalle früher errichtet?

Als Leipzigs Stadtbaumeister Hugo Licht (1841 – 1923) in den Jahren 1889 bis 1891 die Zentralmarkthalle errichten ließ, sollte v.a. der Leipziger Marktplatz vom Markttreiben entlastet werden. Die Zentralmarkthalle richtete sich sowohl an Endverbraucher, die ihre Kleineinkäufe erledigen wollten, als auch an Geschäftsinhaber, die dort ihre Waren zum Weiterverkauf in ihren Geschäften besorgten. Die Errichtung fügt sich als Nachzügler einer in Europa allgemeinen Entwicklung ein, das städtische Markttreiben auch in den Stadtvierteln an einem Ort zu zentralisieren. Ein wichtiges Vorbild für die Leipziger Markthalle sind die Mitte des 19. Jahrhunderts errichteten Les Halles in Paris.

Solche Markthallen folgten stadthygienischen Entwicklungen, um Waren länger frisch halten zu können, aber auch, um unangenehme Gerüche in den Wohngebieten zu vermeiden und den Händlern Schutz vor den Witterungsverhältnissen zu bieten, somit auch die zu verkaufenden Waren, die sonst schneller verdarben. Anders als heute, wo die Nahrungsversorgung von Supermärkten – also Markthallen im Kleinformat – durch verpackte und von weit her produzierte und transportierte Lebensmittel gewährleistet wird, sah die Versorgung durch Nahrungsmittel vor 100 Jahren ganz anders aus. Vorrangig wurde mit frischen Produkten aus der Region gehandelt. Das ist heute anders. Wenn heutzutage aus Ermangelung der 1943 durch Bombenangriffe zerstörten Leipziger Markthalle das Markttreiben in der Leipziger Innenstadt auf dem Marktplatz erfolgt, dann v.a. mit regionalen Produkten. Ein alternativer Markt findet in den Sommermonaten auch am Sportforum statt. Bis auf wenige Ausnahmen findet man dort Waren aus überregionalem Anbau.

Weil die Zentralmarkthalle aber schnell an ihre Grenzen stieß, wurde 1927 bis 1929 für den Leipziger Großhandel die Großmarkthalle im Leipziger Südosten errichtet – heute bei den Leipzigern liebevoll „Kohlrabizirkus“ genannt. Die Bezeichnung führt uns zum ursprünglichen Zweck der umgebauten ehemaligen Flugzeughangars – die Kuppeln erinnerten an Zirkuszelte, die den Großhandel überspannten. Sogar einen eigenen Bahnhof erhielt der Kohlrabizirkus in jener Zeit. Und heute?

Markthallen wurden längst von dezentralen Supermärkten ersetzt

Der eigentliche Zweck von Supermärkten bindet sich an die Frage, wie günstig man Nahrungsmittel herstellen, transportieren und – fußläufig und schnell erreichbar – verkaufen kann. Regionale Produkte findet man kaum noch in den Regalen, wie unlängst die Aktion in einer Hamburger Einkaufshalle einer großen deutschen Supermarktkette gezeigt hat. Stattdessen regiert die Monotonie aus verpackten Lebensmitteln, deren Herkunft alles andere als „regional“ ist – also typisch für einen Landstrich sind, wo die Waren produziert und verkauft werden. Wozu also eine Markthalle im Stadtzentrum? Denn bei der derzeit überschaubaren Zahl an Marktständen auf dem Marktplatz erübrigt sich die Errichtung und auch der Zweck einer Neuen Leipziger Zentralmarkthalle. Zum einen reicht der Marktplatz mit seinen Marktständen aus. Zum anderen finden dezentral in einzelnen Wohngebieten ebenfalls Markttage statt, die regionale Anbieter berücksichtigen und zudem durch „Kurze Wege“ noch fußläufig und wohnortnah erreichbar sind. Gerade für Senioren und Gebrechliche bringt ein Kiezmarkt wegen seiner Abwechslung im Wohngebietsalltag einen Mehrwert, den eine Zentralmarkthalle nicht bieten kann. Was auch berücksichtigt werden muss ist die niedrige Kaufentwicklung in Leipzig aufgrund der Niedriglohnpolitik in der Messestadt. Einen weiteren Faktor bringt der globalisierte Handel bzw. Wirtschaft mit ein. Im Ausland lassen sich Waren billiger produzieren als in den heimischen Gefilden.

Warum eine Markthalle nicht gebraucht wird

Der Supermarkt bleibt Nummer Eins in der Nahversorgungspalette – wer schaut schon auf regionale Herkunft wenn er den Geldbeutel dafür nicht hat? Und wer will sich schon in seiner Entscheidung beeinflussen oder durch „heimatschutzideologische“ Prämissen „erziehen“ lassen, wo er einkauft? Denn was anderes wäre es nicht, wenn die Leipziger Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen den Markthallenbau lautstark einfordert – zum Schutz der Regionalkultur des Leipziger Umlandes. Des Geistes Kind liegt in der jüngeren Vergangenheit der Deutschen. Dessen Windel war nicht grün, sondern besaß eine weniger appetitliche Farbe. Eigentlich müsste Ziel der sogenannten Grünen sein, das ökologische Gewissen der Bürger und der Supermarktbetreiber durch Aufklärung über die Warenherkunft von Supermarktprodukten zu wecken anstatt diese mit der Proklamation einer Zentralmarkthalle in die Stadt zu lenken, deren Kosten ohnehin in privater Hand liegen und der Betrieb der Halle den marktüblichen Gesetzen unterworfen ist. Die Grünen schützen so privatwirtschaftliche Interessen, verkaufen sich aber als „linkspolitische“ Partei. Nirgends wird das so deutlich wie in der Frage des Markthallenbaus. In der Vergangenheit wurde auch die von den Grünen forcierte Flutung des Elsterstausees im Interesse von Bootsverleihern und Gartenlokalbesitzern geführt. Dieses Projekt scheiterte bekanntlich aus verschiedenen ökonomischen und ökologischen Gründen. Demzufolge wurde in der Vergangenheit die Diskussion um den Neubau der Leipziger Zentralmarkthalle von den Grünen aus rein privatwirtschaftlichen Interessen, und diese mit ideologischen Gründen verknüpft, geführt. Das gilt auch für den eigens auferlegten Zwang, dass etwas gebaut werden muss, was einst mal beschlossen wurde – ohne die Entwicklung der Wirtschaft zu berücksichtigen, sowie ihren Gesetzen. Die soziale Unausgeglichenheit, die hinter dem Vorhaben steht, wurde nie bedacht. Das gilt v.a. auch für die Standmieten, die einen dauerhaften Betrieb von Kleinsthändlern an diesem Ort kaum gewährleisten können. Schon jetzt bezweifeln die an den Markttagen teilnehmenden Händler ihre dauerhafte Teilhabe an dem Projekt. Mobil sein ist besser. Auch der Umstand, dass früher Frischwaren aus der Region erheblich günstiger zu erwerben waren als heute, wird bei dem Projekt nicht bedacht. Architektonisch ist hingegen absehbar, dass das zu planende Bauensemble internationalen Standards im Hinblick auf Ästhetik, Funktion und Ökologie ohnehin nicht mithalten kann. Was bleibt, ist eine Provinzposse, die mit viel Geld unterfüttert ist.

Die Ratsvorlage zum Masterplan im Ratsinfo des Rates der Stadt Leipzig

Baubegründungen und Baubeschreibungen in der Masterplananlage

Grund- und Aufrisse der Leuschnerplatzbebauung

„Ich habe nichts bereut“ – Der Maler Thomas Gatzemeier über seine Ausreise aus der DDR

Noch mehr Thomas Gatzemeier sieht man in verschiedenen bundesdeutschen Galerien. Derzeit aktuell: Döbeln.

Artefakte

Die weibliche Figur als Inspiration: Thomas Gatzemeier beim Malen einer Aktgruppe. (Foto: Klaus Lorenz 2010) Die weibliche Figur als Inspiration: Thomas Gatzemeier beim Malen einer Aktgruppe. (Foto: Klaus Lorenz 2010)

Obwohl auch er einen Leipzig-Hintergrund besitzt, zählt Thomas Gatzemeier nicht wie Hans Aichinger, Tim Eitel und Neo Rauch zu den ganz Großen der hiesigen Kunstszene. Der inzwischen in Karlsruhe lebende Maler und Schriftsteller vertrat schon früh gegenüber den meisten Künstlern dieser Stadt seine eigene Position und geht seit 1986 erst recht seinen eigenen Weg. Bis 28. August stellt der Maler neue Arbeiten in der Städtischen Galerie Döbeln aus. Vom 28. September bis 13. November sind in einer Wunderkammerschau seine Werke im Kunstverein Siegen zu sehen. Vom 7. Oktober bis zum 12. November findet ebenfalls eine Wunderkammerausstellung in der Kölner Galerie Koppelmann statt. In der Evangelischen Dorfkirche St. Maria und St. Veit Stetten im Reistal sind vom 16. Oktober bis 27. November ist ebenfalls eine Ausstellung des Künstlers zu sehen.

Hoheneck und Naumburg waren auch die…

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„Ich muss keinen Markt bedienen“ – Thomas Gatzemeier über die DDR, Disziplin und Literatur

Der stets Unangepasste: Ein Archiv-Interview über eine Künstler aus Döbeln, der 1986 in die BRD übersiedeln musste.

Artefakte

Thomas Gatzemeier in seinem Atelier (Foto: Horst Kirstner/Karlsruhe) Thomas Gatzemeier in seinem Atelier (Foto: Horst Kirstner/Karlsruhe)

Aus dem Archiv gekramt: Der aus Döbeln stammende Maler Thomas Gatzemeier übersiedelte 1986 gezwungenermaßen aus der DDR in die BRD, kam nach Leipzig zurück und wirkte ununterbrochen als Maler. Auch als Literat macht er von sich Reden. Gatzemeier 2012 – vielseitiger und neuer denn je.

Herr Gatzemeier, beim Gang durch ihr Atelier finde ich in ihren Arbeiten jene Arbeitsweise wieder, die ich selbst als Abendakademielehrling erlernte. Auch die Farbigkeit ihrer Bilder hinterlässt bei mir ein Deja-Vú – Grau- und Pastellabstufungen. Mir drängt sich die Frage auf: Wie arbeitet Thomas Gatzemeier?

Thomas Gatzemeier: Ich arbeite grundsätzlich Grau, überziehe die vorgemalten Flächen farbig. Dadurch entsteht der farblich zurückhaltende Eindruck. Es gab auch Künstler, die sich gegen die Vorgehensweise wehrten und wie Prof. Pfeifer (?) knallbunte Bilder malte. Als ich in die BRD übersiedelte blieb die pastellige Farbigkeit lange so wie ich sie erlernte.

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Besucherzahlen sind nicht alles – Im Museum der Bildenden Künste blickt man nach vorn

Es lohnt sich doch, ins MdBK zu gehen, auch bei schönem Wetter.

Artefakte

Manaf Halbouni, Nowhere is Home, 2015 - 2016, © Manaf Halbouni, Foto: Punctum/B. Kober (im Hintergrund: Wolfgang Mattheuer, Mann mit Maske, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016) Manaf Halbouni, Nowhere is Home, 2015 – 2016, © Manaf Halbouni, Foto: Punctum/B. Kober (im Hintergrund: Wolfgang Mattheuer, Mann mit Maske, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016)

Die Staatsgalerie Stuttgart kann auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken. Das Kunstmuseum in der baden-württembergischen Landeshauptstadt vermeldet für das Jahr 2015 einen Besucherrekord von knapp 200.000 Menschen, die Ausstellungen des Museums sehen wollten. In Leipzig zeichnet man kleinere Nummern.

An den Grenzen des Wachstumsglaubens

„Um 70 % steigerten wir unsere Besuchszahlen“, freut sich Christiane Lange, Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart. Im Vergleich zu 2014 erlebte die Staatsgalerie Stuttgart 2015 einen enormen Anstieg des Interesses. Publikumslieblinge waren hier die großen Rückblenden auf die große Zeit der Modernen Kunst in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg. Zu den Höhepunkten des Ausstellungsjahres 2015 zählte die Große Landesausstellung »Oskar Schlemmer – Visionen einer neuen Welt«. Mit insgesamt rund 163.000 Besuchern erfuhr der Bauhauskünstler in seiner ersten Retrospektive nach fast 40 Jahren…

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Elegante Zickzack-Muster – Eine Schau im GRASSI widmete sich den Goldenen Zwanzigern

Wenn jemand die Architektur der Zwanzigerjahre als „Art Déco“ bezeichnet, dann hat „Artefakte“ das Gegenargument, warum die Zwanzigerjahre architekurgeschichtlich und kunstgeschichtlich etwas heterogener betrachtet werden müssen.

Artefakte

Aus der Not geboren? "Art Déco" ist kunsthistorisch ein Verlegenheitsbegriff, wie Barock und Rokoko. Hier: Blick in die Ausstellung im Grassimuseum für Angewandte Kunst in Leipzig. Das Gebäude und die Innenräumen entstanden Ende der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts und werden ebenfalls als "Art Déco"-Architektur verstanden, obwohl dies kein Quellenbegriff ist und von zeitgenössischen Kommentaren als "modern" bezeichnet wurde. (Foto: Artefakte 2016) Aus der Not geboren? „Art Déco“ ist kunsthistorisch ein Verlegenheitsbegriff, wie Barock und Rokoko. Hier: Blick in die Ausstellung im Grassimuseum für Angewandte Kunst in Leipzig. Das Gebäude und die Innenräumen entstanden Ende der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts und werden ebenfalls als „Art Déco“-Architektur verstanden, obwohl dies kein Quellenbegriff ist und von zeitgenössischen Kommentaren als „modern“ bezeichnet wurde. (Foto: Artefakte 2016)

Eigentlich ist „Art déco“ ein Verlegenheitsbegriff. Auslöser soll die 1925 in Paris durchgeführte Kunstgewerbeausstellung „Exposition internationale des Arts Décoratifs et industriels modernes“ gewesen sein. Doch im Zusammenhang mit den vielen vor dem Ersten Weltkrieg entstandenen europäischen Stilströmungen taucht der Begriff „Art déco“ erstmals 1966 auf. Anfang April endete dazu eine Ausstellung im Leipziger Grassimuseum für Angewandte Kunst.

Wie ein Stilbegriff erfunden wird

Hilary Gelson war Journalistin der „Times“. Sie schrieb 1966 einen Bericht über die Kunstströmungen, die nach dem Ersten Weltkrieg stellvertretend für die „Goldenen Zwanziger“ stehen sollten. Auslöser…

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