Grunge rockt Leipzig: Grungopalooza im Bandhaus

The Heroine Whores in der Helheimkneipe Leipzig-Plagwitz (Copyright: Daniel Thalheim)
The Heroine Whores in der Helheimkneipe Leipzig-Plagwitz (Copyright: Daniel Thalheim)

2011 stieg ein erstes Mal das „Grungopalooza“ in der Moritzbastei. Die totgeglaubte Musikrichtung kommt wieder. Pearl Jam gab nie auf, Alice In Chains trat 2009 sein Comeback an, 2012 folgte der Vorreiter Soundgarden. In Leipzig ist es Tarcy Mirinda mit ihren The Heroine Whores, die Grunge zu einer Wiederkunft verhelfen will. Am 14. September nun im Bandhaus in der Saarländer Straße.

Bereits 2010 traten The Heroine Whores mit einem Grunge-Fest Erscheinung. Deswegen an dieser Stelle eine Artikel- und Interviewsammlung zurück zum 30. März 2010, zum 21. Juli 2011, 3. und 4. September 2011. Erschienen sind alle Textbeiträge das erste Mal in der Leipziger Internet Zeitung.

Die Schmuddelkiste des Rock’n’Roll: Leipzigs erstes Grungefestival steigt im Flowerpower

Grunge wurde in den Neunzigern eine neue Schublade genannt. Heißt so viel wie Dreck. Hardrock, Metal und Punkrock fanden zu einer neuen Melange mit dem Markenzeichen: schrammelige Gitarrenklänge, quere Rhythmen und schiefe Gesänge. Gepflegte Depression, schwarze Weltsicht und ein wenig Romantik lag Anfang der Neunziger in der Luft. Doch nichts verschwindet auf ewig, oder?

„The Heroine Whores“ besteht aus Tarcy am Mikro und Gitarre, Hanne am Bass, Martin an der Gitarre und Gesang und Flury an den Trommeln. Der Bandname spielt auf die im Grunge grassierende Sucht nach Heroin an. Kurt Cobain fiel dem zwar nicht zum Opfer, dafür aber „Blind Melon“-Sänger Shannon Hoon, der Frontmann von „Alice In Chains“, Layne Stayley und Sänger Andy Wood von „Mother Love Bone“, aus denen ja bekanntlich „Pearl Jam“ hervor ging. „Heroine“ meint aber auch die Heroin, die Heldin.

Cobain steht immer noch als Identifikationsfigur für die so genannte Grunge-Szene. Mit „Smells like teen spirit“ schufen er und seine Band 1991 einen Welthit sondersgleichen. Ab da war alles anders in der Rockszene. Zahlreiche Glam Rock-Bands wie „Poison“ und „Ratt“ werden rückblickend diese Zeit verfluchen. Verloren sie doch über Nacht ihre Integrität, die sowieso nur glitzernde Fassade war. „Ratt“ startete 2010 ein Comeback. Nirvana lebt irgendwie noch mit Drummer Dave Grohl und seinen Projekten weiter und eben jene „Pearl Jam“ hob 2009 auch wieder sein Haupt.

The Heroine Whores ist den Staub gewöhnt, der in kleinen Clubs auf den Boxen liegt und bereit, diesen ins ‚Nirvana‘ zu pusten. Es lohnt sich und es wird hart am Wind gesegelt. Versprochen!“Und damit die jungen Wilden nicht allein an der Welt verzweifeln, luden sie sich ihre Freunde von „PiXie Meet“ aus dem Bayernlande ein. Denn besonders dort, in den Gefilden des Wohlstands und der eingefahrenen Wege, gibt es immer wieder einen Grund der cleanen Variante Leben etwas Grunge entgegenzustellen.

Das Ganze stieg in direkter Konkurrenz mit „The Blue Van“ in der Moritzbastei, „Disillusion“, „Zen Zebra“ und „Rose Kemp“ in der Theaterfabrik und „Timescratch“ in „Ilse’s Erika“. Damals war an diesem Abend eine gehörige Bandbreite in der Stadt zu haben. Und viel Leipzig. Der Eintritt zum Grunge-Abend war frei.

1. Grungopalooza: Tarcy Mirinda von The Heroine Whores im Interview

Ihr Name ist doppeldeutig. Heroin leitet sich vom englischen „Hero“ ab, was Held bedeutet. Die weibliche Form des Helden ist „Heroin“ – Heldin oder Halbgöttin, so die Übersetzungshilfe. Mit der Betonung auf der ersten Silbe. Der Stoff aus dem meist Albträume sind, wird in der letzten Silbe betont. Insofern kann man bei den Heroine Whores von „verhurten Heldinnen“ sprechen, aber auch von „Heroin Nutten“. Sängerin Tarcy Mirinda erzählt übers Grungopalooza und ihre Plänen mit The Heroine Whores.

Tarcy, was ist das Grungopalooza eigentlich?

Das ist eine Zusammenführung von drei Leipziger Grungebands, die einfach versuchen etwas auf die Beine zu stellen, damit die Leute wieder ein Gefühl von Grunge bekommen. Grunge ist ein Musikstil aus den Neunzigern und ist bis jetzt in Vergessenheit geraten. Wir wollen die Leute daran erinnern, dass es Underground-Musik gibt, die lohnenswert ist zu hören.

Grunge scheint noch eine richtige lebendige, aber kleine Szene zu sein. Früher war Grunge ein musikjournalistischer Begriff für die Sub Pop-Szene in Seattle. Irgendwann ist es zu einer weltweiten Popwelle geworden. Ihr beruft euch aber auf die Frühphase des Grunde Ende der Achtziger, also vorm Durchbruch mit Nirvanas „Nevermind“, richtig?

Genau! Wir mögen auch sehr die alten Bands, die mancher so gar nicht zu Grunge zählen würde wie Melvins, Pixies und Sonic Youth. Die Band, die heute zum ersten Mal überhaupt auftritt, Stiftung Warenpest, bezieht sich sehr auf die Melvins. Das gefällt uns sehr. Wir möchten auch gerne das Alte bewahren. Das, was nach „Nevermind“ kam ist ein Hype gewesen, was viele auch unterstützt hatten, die wahrscheinlich keine Ahnung von den Ursprüngen des Grunge haben. Wir möchten alles zu den Ursprüngen zurückführen. Deswegen breiten wir alles auch deutschlandweit aus. Die Bands aus ganz Deutschland beteiligen sich an der Idee und haben Spaß dran.

Wer den Namen „Grungopalooza“ nicht kennt, der wird sich wundern woher der eigentlich kommt … Wie setzt sich der Name zusammen?

Es gibt ein Festival, wo verschiedene Grungebands spielen. Das heißt „Grungocalypse“, welches seit 2009 in Bayern stattfindet. Dort haben wir das vergangene Jahr gespielt. Grungo ist von diesem Festival entlehnt. Dann hat es noch das legendäre Lollapalooza in England gegeben, wo auch mal Nirvana mal spielen wollten und es aber nicht getan haben. Palooza ist von diesem Festival gekommen. Beide Komponenten haben wir einfach zusammen gebracht.

Der Spagat zwischen Underground und klein wenig Mainstream quasi – wie wird es mit dem Grungopalooza in Leipzig weitergehen, die Fans sind zahlreich erschienen für das erste Mal, … hat das euch überrascht?

Und ob! Sehr positiv! Es ist so, dass Grunge-Konzerte nicht gut besucht sind. Grunge kennen nur wenige Leute, auch was dieser Begriff und diese Musik bedeutet. Aber heute ist es echt sehr schön, dass so viele Leute heute gekommen sind und wissen wollen, was Grunge beinhaltet und darüber mehr erfahren wollen.

Was bedeutet eigentlich Grunge für euch?

Weg vom Mainstream, zurück zu den Wurzeln, zu den unsauberen Sound, einfach die Wut herausschreien, was einen bedrückt und welche Emotionen man damit verbindet. Das ist der Gegensatz zur herkömmlichen Popkultur. Uns ist das sehr wichtig, weil viele Menschen nur Radio hören, TV schauen und dort kommt Grunge nicht vor. Wir wollen einfach die Alternative sein.

Wie vor zwanzig Jahren eigentlich auch schon. Wie alt warst Du vor zwanzig Jahren?

Ich bin 1991 geboren. Ich bin zwanzig Jahre alt. (Lacht)

Hey, du bist im Prinzip so alt wie Nirvanas „Nevermind“!

(Lacht)

The Heroine Whores ist eine Leipziger Grungeband. Wann fing das eigentlich an mit euch?

Mai 2009 war der Start. Da waren wir komplett. Zuerst waren wir vier Leute und haben uns letztes Jahr auf drei reduziert. Unser Drummer ist damals ausgestiegen.

Die klassische Grunge-Besetzung.

Seit Juni 2010 sind wir zu dritt, Hanne am Bass, Martin am Schlagzeug und mich als Sängerin und Gitarristin.

Gibt es was neues von euch?

Wir haben jetzt in Bayern ein Album bei Marko „Heino“ Heinrich aufgenommen. Releaseparty wird am 3. September in der Helheimkneipe sein. Weitere Gigs kommen dann ab Ende September wie in Stuttgart. Das jetzt weiter auszuführen wäre ein bisschen lang… (lacht). Zwei Tage haben wir für unsere Aufnahmen im Studio gebraucht. Dabei haben wir 15 Songs aufgenommen, die wir am dritten Tag abgemischt haben. (einen Großteil der neuen Songs spielten The Heroine Whores schon beim 1. Grungopalooza in der MB, wo das Interview auch stattfand, Anm. d. Verf.) Es gibt ältere Songs von 2009, aber auch sehr viele neue Titel. Solche Songs zu schreiben, dauert bei mir beispielsweise ungefähr zehn Minuten. (Lacht)

Da bist Du ja genauso schnell wie Lemmy Kilmister …

(Lächelt) Ich habe einfach nicht die Geduld, so lange an einem Songs zu schreiben. Mir kommt ein Riff in den Kopf, das spiele ich einfach, dann Text dazu und fertig. Es geht nur darum, die Gefühle, die man in sich trägt, direkt und ungefiltert nach draußen zu tragen. Unser Schlagzeuger schreibt auch Songs, weil er früher bei uns Gitarrist war und versteht, worum es geht.

Dann zertrümmert die Bühnen der Welt mit eurem Stoff und lasst nichts übrig. Vielen Dank für das Interview.

Menschen in Flanellhemden: Das 1. Grungopalooza lockte in die Moritzbastei

Eigentlich sollte dieser Musikstil „Sub Pop“ heißen. Das ist der Name des Labels in der amerikanischen Metropole Seattle gewesen, wo Gruppen wie Tad, Nirvana und Soundgarden ihre ersten Gehversuche unternahmen. Irgendein Musikjournalist entdeckte diese Gruppen und fand sofort einen Begriff für die verwaschenen, punkig angehauchten Klänge: Grunge.

Heute ist Grunge nur noch eine Nische, gilt manchem als Einsteigermusik für Teenager. Auch am 28. Juli beim 1. Grungopalooza in der MB, das Grunge-Sängerin Tarcy Mirinda mit ihren Freunden angeleiert hat. Viele von den heute Anwesenden waren noch gar nicht geboren, als Flanellhemden und Kurt-Cobain-Frisuren durch die Musikwelt schwappten. Grunge war vor zwanzig Jahren das Ding.Kaum fünf Jahre später, also gegen 1996 bis 1997 war dieser Musikstil schon ein Fall für die Geschichtsschreibung. Derer Gründe gibt es viele. Hauptsächlich haben die großen Major-Plattenfirmen zum Ausverkauf der Szene beigetragen. Als der Klamottenhersteller „C&A“, später auch „H&M“ karierte Flanellhemden und zerrissene Jeans anboten und mit einem „Summer of love“ warben, war es eigentlich schon vorbei. In Seattle hingegen hatten die Musiker der ersten Stunde ihre Klamotten noch im Baumarkt gekauft, oder im Second Hand.

Ob diese Leute Bands wie Wipers, Mission of Burma und Hüsker Dü gehört haben und sich sagten, ‚Hey, lass uns auch so was machen“, kann man diskutieren. Kurt Cobain galt jedenfalls als Verehrer dieser Garage-Rock-Heroen. Musik von The Velvet Underground, Melvins und Neil Young waren, neben dem damals handelsübliche Underground-Metal, wohl auch einflussgebend für Gruppen wie Tad, Nirvana und vielleicht auch Pearl Jam. Trockener und metallischer klangen eher Gruppen wie Alice in chains und Soundgarden. Das war Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger als noch Glamrock-Bands wie Bon Jovi, Cinderella, Mötley Crüe und Guns’n’Roses die Charts beherrschten.Schon 1989 schlug die Seattle-Szene kleine Wellen. Da kannten Metalfans gerade mal Gruppen wie Queensryche und Sanctuary, die rein gar nichts mit Grunge zu tun haben. Selbst als 1990 Alice in chains mit ihrem Debütalbum in Erscheinung traten, war von „Grunge“ keine Rede. Erster Schmuddel-Stoff geriet von Tad und Mudhoney in die europäischen Independent-Radios.Jetzt im Jahr 2011 scheint Grunge nur noch ein Ding für Nerds und Sammler. Und doch – zwanzig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung erscheint Nirvanas Szene-Entzünder schlechthin „Nevermind“ in einer umfangreich mit Bootlegs und Demos erweiterten Neuauflage. Als das Album ein erstes Mal erschien, ist Sängerin Tarcy Mirinda der Leipziger Grunge-Band The Heroine Whores gerade mal auf die Welt gekommen. Sie erzählt, wie es zum Festival gekommen ist: „Grungopalooza ist ein Treffen von drei Leipziger Grungebands, die versuchen etwas auf die Beine zu stellen, damit die Leute wieder so ein Gefühl von Grunge kriegen. Dieser Musikstil ist sehr in Vergessenheit geraten. Wir wollen die Leute daran erinnern, dass es eine lohnenswerte Musik ist.“

Die Szene lebt, viele der Bands verneigen und verbeugen sich vor dem Sound von Tad, Melvins, Mudhoney und frühen Nirvana. Auch was Aussehen, Stimme und Mimik angeht. Tarcy und ihre Musikerkollegen berufen sich auf diese frühe Phase, bevor Grunge zur Popwelle mutierte. „Beispielsweise zählen wir auch die Melvins zu den Grungebands“, weiß Sängerin Tarcy und ergänzt auch Sonic Youth und The Pixies zu den großen Einflussgebern von Kurt Cobain & Co. „Stiftung Warenpest, die gerade spielt, beziehen sich sehr auf die Melvins, was uns sehr gefällt“, fügt Mirinda hinzu. „Grungopalooza“ – der Name für das kleine Leipziger Festival sei eine Wortneuschöpfung aus dem legendären Loolapalooza-Festival und dem noch aktiven Grungocalypse.

Stiftung Warenpest hat im Übrigen ihren allerersten Gig überhaupt hingelegt und das in Leipzig. Total Blizz – der Name einer weiteren Formation des Abends, die mit ihrer Mischung aus Tad und frühen Nirvana die meisten Fans in die Tonne locken konnte. Altersdurchschnitt der Gäste 18 bis 20. Dann wurde es offenbar zu spät für sie und mussten The Heroine Whores vor rund zwanzig Hanseln fast alleine lassen. Dabei haben sie etwas Erstaunliches verpasst. Trotz dass Drummer Martin ausschaut wie ein kleiner Bruder von Kurt Cobain, um nicht zu sagen wie ein Sohn, Sängerin Tarcy ein wenig Vergleiche zu dessen Ehefrau Courtney Love von der Band Hole zulässt, hat die Band vom Sound her wenig gemein mit einem üblichen Spiel mit den Vorbildern.Eigenständig, rotzig und ruppig der Sound von The Heroine Whores, der auch sehr gefühlvoll in die Ohren brettern kann. Ein Geheimtipp noch, aber diese Band kann sich wirklich sehen lassen. Zum Hüpfen haben sie auch einige Leute gebracht. Zumindest kletterte Total Blizz-Sänger Kris K. nochmal auf die Bühne und schrie mit Tarcy um die Wette.Den Leuten gefiel es und werden mit Sicherheit im nächsten Jahr beim 2. Grungopalooza vorbeischauen. Die Idee, Konzert mit kleiner Vorstellungsrunde, Szeneüberblick, Geschenke-Aktion und Moderation anzureichern ist jedenfalls sicher ein richtiger Ansatz für so einen Abend. Grungopalooza ist für Menschen in Flanellhemden schon jetzt nicht mehr aus der Leipziger Konzertlandschaft weg zu denken. Mal sehen, wann die Kreiselbewegung der Musikstile auch im Falle von Grunge wieder die Massen packt. Auszuschließen ist es keinesfalls.

The Heroine Whores ganz krachig mit erstem Album

Es ist schwarz, ruppig und laut. Die Leipziger Grunge-Band The Heroine Whores kam in die Spur und veröffentlichte im September 2011 sein erstes Album. Ganz in der Tradition von Tad, Hole und Nirvana wummern 15 Titel aus den Boxen. Ganz ohne Flower-Power-Ambitionen.

Tarcy Mirinda von The Heroine Whores (Copyright: Daniel Thalheim)
Tarcy Mirinda von The Heroine Whores (Copyright: Daniel Thalheim)

Als 1989 „Bleach“ von Nirvana erschien, interessierte das niemand. Dabei war das erdbebenartige Brummen in Schwarz der Auftakt zu etwas Größerem. 1991 war das Klagelied auf die Welt namens „Nevermind“ geboren und alle Welt redete von Grunge. Seattle war das Ding bis 1994/96 überhaupt, das mit Kurt Cobain und Layne Staley schnell gestorben schien. Es rumort unterm Beerdigungsteppich weiter. The Heroine Whores ist nur ein Beispiel, dass die Generation nach „Grunge“ immer noch was für die Mischung aus Punk, Folk und Metal übrig hat – und damit auch The Heroine Whores, die 1991 zum Teil noch gar nicht auf der Welt war.

Mein Gott – ist das schon so lange her, als man „About A Girl“ gut fand? Diese substantielle Schwärze in „Negative Creep“, brachiale Wut gepaart mit schäumender Folk-Lyrik hat niemand so roh und unverfälscht auf einen Tonträger gebrüllt-gegossen wie Nirvana. Soundgarden – nun ja, haben eher auf die Siebziger geschielt und auf Metal, wollen 2012 wieder in Erscheinung treten. Alice In Chains hauten in dieselbe Kerbe – nur depressiver, Pearl Jam irgendwie wütender aber auch soft. Ein großer Teil der Musiker hing an der Nadel und verstarb auch an den Folgen ihrer Sucht. Liebevolle Schlachthymnen der Moderne haben nun The Heroine Whores mit 15 Titeln durch die Nadel gepresst. Selbsthass, Verzweiflung und Schwarzseherei auch auf „Caution – Contains Confusing Calm“ Ausdrucksmittel für drückend-brütende Töne. Sängerin Tarcy Mirinda hat genügend rostige Nägel gefressen, um wie eine Chimäre von Courtney Love und Kurt Cobain zu klingen, nur leider ohne von deren vielfarbigen Kehlklängen zu schöpfen. Doch auf dem „Caution: Contains Confusing Calm“ kommt etwas anderes zu tragen: der eingefressene Zorn des Melancholikers, der in Stücken wie „Sheep“ zum Tragen kommt, sich aber auch in ruhigeren Liedern wie „Age Battery“ niederschlägt.

1989 war Nirvana Underground, ebenso eine andere Gruppe namens Tad. Und beide waren 1989 und 1990 alles andere als berühmt. Damals noch hand- und hausgemacht – ohne große Vertriebe, Plattenfirmen und Kommerzrummel. Dass The Heroine Whores ihre Scheibe selbst produziert und gestaltet hat, zeigt dass echter Untergrund noch von der punkigen Do-It-Yourself-Attitüde lebt und nicht auf das Internet-Digital-Gebrumm angewiesen ist. So steht aktuell eine deftige Platte ins Haus an. „Caution – Contains Confusing Calm“ verteilt statt Handküsse eher Ohrfeigen, schleift sich mit krachigen Feedback-Orgien langsam ins Gedächtnis ein und hat durchaus genügend Basis, um mit dem nächsten Album an die großen Helden aufschließen zu können.

Dazu braucht es aber auch an kompositorischer Tiefe, wie sie Kurt Cobain & Co. an der Akustikgitarre zu schreiben vermochten. Trotz aller Kritik ist The Heroine Whores mit „Caution – Contains Confusing Calm“ eine eigenständige Grunge-Platte gelungen, die aufmüpfig genug ist, um in der einst vom Mainstream geschluckten und nun klitzekleinen Szene Wellen zu machen.

The Heroine Whores: Brachiales Wohnzimmerkonzert mit Trommelschaden im Helheim

Es war ein beherzter Sprung. Dann war ein „Trommelfell“ gerissen. Fans feierten am Samstagabend im Helheim ausgelassen das erste Studiowerk der Leipziger Grunge-Band The Heroine Whores. Mit dabei die Metalband Janice, viele selbstgefertigte T-Shirts und signierte CDs. „Caution: Contains Confusing Calm“ lockte ein feierwütiges Publikum an.

Es sind echte Fans, wenn sie nach einer Stunde ausdauerndem Herumspringen schwitzend vor der Helheim Kneipe stehen und noch ganz aufgeregt sind von den Klängen, die The Heroine Whores am Abend lieferten. Leadsängerin Tarcy Mirinda und ihre Mitstreiter Hanne und Martin haben alles gegeben, um ihre Fans zufrieden zu stellen. Zuvor aber hatte die Metalband Janice ihren umjubelten Auftritt zwischen Kachelofen und Ledercouch hingelegt und viele Leute angelockt.

Doch der Fokus lag am Samstagabend auf The Heroine Whores und einer kleinen Verlosungsaktion aus der Ramschkiste von Tarcy Mirinda. Am 3. September erschien die Whores-Scheibe via Projektil Records, einem kleinen Indielabel aus Leipzig, das mit Toxic Society, Star Roxx und Die Barracudas drei weitere Bands unter Vertrag hat. Geschäftsführer Andy Freyer ist mit seiner Plattenfirma noch ganz am Anfang und im Aufbau begriffen, ist sichtlich stolz auf die Scheibe von The Heroine Whores. Deshalb zückt er gleich ein paar CDs aus dem Verkaufskarton, um sie gegen ein Geldscheine zu tauschen. Nebenan wummern Tarcy & Co. ihre Lieder von „Caution: Contains Confusing Calm“ zu denen die Fans ohne Pause zu machen ganz schön abhotten.

Dann ein beherzter Sprung eines Fans ins Drumkit von Janice, die aber den Schaden von einem Grunge-Fan sofort ersetzt bekamen – ein Fell war gerissen. Der Rest war stabil genug und The Heroine Whores sichtlich froh, dass sich alle gütlich geeinigt hatten und fingen fleißig an die frisch verkauften CDs zu signieren. Der Abend war gegen Null Uhr lange nicht zu Ende – gefeiert wurde lang. Die Band zuversichtlich angesichts des Zuspruchs aus der kleinen Grunge-Szene Leipzigs. Von Kritik lassen sich die drei nicht beirren, wollen sich weiter entwickeln und sind guter Dinge, dass bald neue Songs folgen werden.

Autor: Daniel Thalheim

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