Bissiges Tier: Gehören Tiger in die Zoologischen Gärten?

Amur-Tiger im Leipziger Zoo (Copyright Daniel Thalheim)
Amur-Tiger im Leipziger Zoo (Copyright Daniel Thalheim)
Amur-Tiger im Leipziger Zoo (Copyright Daniel Thalheim)

Ich hab dich zum Fressen gern. Tragisch das Unglück, dass am 25. August eine Pflegerin im Tigergehege des Kölner Zoos ums Leben kam. Der Kölner Zoodirektor erschoss das ungezogene Tigertier – ein Männchen. Menschliches Versagen, meint Leipzigs Zoodirektor Jörg Junhold. Abenteurer Andreas Kieling meinte im Fernsehen, Tiger brauchen wir in Zoos. Dagegen sind die Tierschutzverbände.

Zugegeben. Ich bin auch der Meinung, dass Wildtiere nicht in die Zoos gehören. Es gibt aber auch bei mir ein ganz großes „Aber“. Gern schaue ich mir im Leipziger Zoo die Tiger in ihrem Gehege an, beobachte die Schimpansen, Gorillas und Elefanten bei ihrem munteren Treiben. In der Natur habe ich die Chance so nicht. Es sei denn, ich würde eine Safari buchen. Dann erinnere ich mich an zahlreiche Tierfilme, in denen die desolate Lage der Groß- und Kleinkatzen weltweit berichtet wird.

Den Tiger trifft es besonders hart. Erst vor ein paar Jahren deckte eine Journalistin auf, dass tibetanische Buddhisten Großaufträge zum Abknallen von Indischen Tigern in den Schutzgebieten in Indien erteilten und so zusammen mit den geschmierten indischen Behörden die Großkatzen auf dem indischen Subkontinent fast ausrotteten. Wegen dem Fell. Statussymbol und so. Da schaltete sich der Dalai Lama ein und verbot das Treiben. Jetzt tragen die Leute künstliche Felle. Aber unter der Hand geht die Jagd auf Tiger und Leoparden weiter. Aus diesem Grund mutieren weltweit die Zoologischen Gärten zu Archen. Zu den kleinsten Refugien für die Großwildtiere, die allesamt vom Aussterben bedroht sind – egal ob Gorilla, Elefant, Tiger und Löwe. Auch die deutschen Zoos gehören zum weltweit angelegten Artenschutzprogramm – auch für die Tiger.

„Es ist der schwärzeste Tag in meinem Leben“, sagte der Kölner Zoodirektor Theo Pagel kurz nach dem Unglück am 25. August 2012 gegenüber den Medien. Nachdem er das ungezogene Tigermännchen Altai mit einem Großkalibergewehr erschoss. Die gestreifte Großkatze fiel nach Medienberichten die Pflegerin von hinten an und tötete sie. Sie war unvorsichtig, hieß es. Der Tiger befand sich noch im Gehege, war nicht ausgeschlossen während die Pflegerin für eine Reinigung drin war.

Gleich nahmen Tierschutzverbände das Unglück zum Anlass gegen die Raubtierhaltung in den deutschen Zoologische Gärten zu wettern. Gehören Großwildkatzen in die Zoos? Soll man Zoos gleich abschaffen? Tiger benötigen Großgehege. In der freien Wildbahn nehmen sie mehrere hundert Quadratkilometer Lebensraum in Anspruch. In Zoos sind es weniger als ein Prozent dessen, was Tiger an Lebensraum tatsächlich benötigen. Da sind Unfälle und Konfrontationen vorprogrammiert. Jörg Junhold, Leipziger Zoodirektor, sagte aber im Fernsehen, dass Tigerunfälle prozentual gering ausfallen würden. Nur drei Unglücke innerhalb von zehn Jahren. Dagegen stünde die Zahl von anderen Zusammenstößen mit Wild- und Nutztieren, so Tierfilmer Andreas Kieling. Der Abenteurer wurde übrigens vom Leipziger Zoo inspiriert Tierfilmer zu werden. Obwohl ihm da die Tiere leid taten, weil sie eingesperrt sind.

Dennoch Kieling: „Wir brauchen die Zoos!“ Zur Nachzucht der bedrohten Tierarten, erklärte er in einem Fernsehinterview, das ich beim ARD-Morgenmagazin schaute. Mich interessiert der Fall auch sehr. Wollte ich auch mal als Kind Tierpfleger werden. Kieling unterbrach mich bei meinen Gedanken. „Wenn es keine Nachzuchten in den Zoos gäbe, sehe es sehr schlecht um einige Arten aus.“ Die Folge fehlender Nachzuchten wäre eine genetische Verarmung, die bereits bei den wild lebenden Tigern, Schneeleoparden und Asiatischen Löwen einsetzt. „Aber definitiv leiden die Zootiere wegen ihrer Bewegungsarmut, werden hospitalitisch“, so der engagierte Tierfilmer. Das kennt man ja auch von menschlichen Gefangenen, wenn es ihnen an Beschäftigung, Auslauf und Abwechslung mangelt.

„Wir haben die Verpflichtung, Tiere in den Zoos zu halten und zu züchten.“ Wahrscheinlich weil sie in ihren natürlichen Refugien und Nationalparks nicht mehr vor den Nachstellungen von Wilderern sicher sind. Abschließend meinte Kieling aber auch, der Kölner Zoo ist der beste der Welt. Unglücke dieser Art könnten auch in Zukunft nicht hundertprozentig auszuschließen sein, weil Menschen in der Haltung und Pflege immer Fehler oder Nachlässigkeiten machen. Das sagte auch Jörg Junhold, der versicherte, dass Zoologische Gärten ständig Sicherheitskontrollen unterzogen werden. Die Vorwürfe der Tierschutzverbände, dass Tiger in den Zoos falsch gehalten würden und nicht artgerecht, wies er angesichts des Unglücks entschieden und als pietätlos zurück.

Jetzt steht die Frage im Raum, ob das Abknallen eines so kostbaren Tieres nötig war. Ob nicht eine Betäubungsspritze ausgereicht hätte. Wurde überprüft, dass das Tigermännchen nur sein Revier verteidigte, sich eigentlich natürlich verhielt?  Er hatte aus seiner Sicht nichts falsch gemacht, war im Gehegebereich wo er hingehörte, so der Kölner Zoodirektor Pagel in den deutschen Medien. Nur die Pflegerin hätte da nicht sein sollen. Eine Betäubung des Tigers kam laut Pagel nicht in Frage. Das Wohl der Mitarbeiter steht im Vordergrund. Macht ein Tiger das einmal, macht er das immer wieder, so der gedankliche Umkehrschluss bei mir. So bezahlte das Katzentier mit seinem Leben für den Fehler der anderen.

Da mahnt uns WWF-Sprecher Jörg Ehlers mit den Worten, dass Zoo-Tiger aufgrund ihrer menschlichen Nähe und Verhaltensstörungen in der freien Wildbahn generell nicht überleben würden. Was sagt uns das? Dass Wildschutzgehege wie Nationalparks geschaffen werden müssten, um sie kostenintensiv gegen den Eigennutz vieler Menschen zu schützen. Und wieder ein großes Aber. Wenn Wirtschaft und Politik von den Bedürfnissen der Menschen korrumpiert sind, dann ist das wohl nur ein Traum. Dafür schützen wir lieber unser Nutzvieh vor den ach so bösen Wölfen, Löwen und Tigern und schlachten es massenhaft für Hamburger und Gesichtsmortadella ab.

Mehr zum Artenschutzprogramm des Leipziger Zoos auf meinem Blog.

Autor: Daniel Thalheim

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